Page 3 - Gemeindeblatt 2023/04
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Liebe Gemeinden, liebe LeserInnen,
        „Komm, Heiliger Geist, erfüll die Herzen deiner Gläubigen und entzünd in ihnen
       das Feuer deiner göttlichen Liebe, der du in Mannigfaltigkeit der Zungen die
       Völker der ganzen Welt versammelt hast in Einigkeit des Glaubens. Halleluja
       (EG156)

       Mit diesem Vers habe ich als Vikar mit meinem Mentor Pfr. Wolfgang Most in
       der alten Klosterkirche aus dem 12.Jh. in Kassel jeden Gottesdienst eröffnet. Das
       ist zwar lange her, aber die Gottesdienste, die liturgisch mit der Bitte um den
       Heiligen Geist eingeleitet wurden, blieben mir wie eine vertikale Brücke von Gott
       zu uns Menschen in Erinnerung haften.

       Jeder Gottesdienst ein Pfingstgottesdienst, eine Brücke von Gott zu uns
       Menschen? Jeder Gottesdienst Blick nach oben mit der Bitte nach dem Feuer der
       göttlichen Liebe? Gar nicht verkehrt in einer Welt, die nach schöpferischen
       Antworten verlangt angesichts der zivilisatorischen Herausforderung, die uns
       gegenwärtig präsentiert wird. Gar zu schweigen angesichts der Säkularisierung,
       Rationalisierung und enormen Beschleunigung des Lebens. Die Erfahrung des
       Menschen, der niemals vollkommen entheiligt werden kann (Mircea Eliade) ist
       auf Innigste mit der Wahrnehmung des Heiligen verbunden.

       Im zweiten Kapitel der Apostelgeschichte (die kein historischer Bericht ist)
       begeht die Kirche durch die Herabkunft des Heiligen Geistes am Pfingsttag (50
       Tage nach Ostern) ihren `Geburtstag´. In einer symbolträchtigen Erzählung wird
       die Frohe Botschaft durch die Freude über die Auferstehung Jesu als das neue
       Leben der jungen Kirche weitergetragen. Das Feuer der göttlichen Liebe in der
       Gestalt des Auferstandenen wird zum Kern der urchristlichen Botschaft.

       Die Bilder sind vielfältig und fähig den sonst so abstrakten Geist zu
       veranschaulichen. Viele können heutzutage mit Pfingsten nicht viel anfangen.
       Wir, die evangelischen ChristInnen haben seit der Reformation, durch die
       Jahrhunderte hindurch ein eigenartiges Verhältnis zum Heiligen Geist, das
       zwischen Begeisterung (Enthusiasmus: vom gr.:“Im Wesen Gottes sein“) und
       argwöhnischen Abstand hin und her schwankt. Manchmal spotten wir über die
       majestätische Langsamkeit des Heiligen Geistes. Aber vielleicht Vorsicht!
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